Neulich hörte ich seit langem wieder einen Song. Früher verstand ich die kryptischen Songtexte nicht. Nun machten sie plötzlich Sinn. Es fiel mir wie Schuppen von den Augen, als ich erkannte, worum es in dem Lied ging. Eigentlich würde man ja denken, Sprache sei unmissverständlich. Wenn sie es nicht ist, was dann sonst? Trotzdem hörte ich das Lied und war erstaunt wie falsch ich es doch damals wahrgenommen hatte, und wie richtig es sich jetzt anhörte. Etwas nach langer Zeit im Rückblick zu verstehen ist ein tolles Gefühl. Wir alle kennen Geschichten, die unvollendet blieben, Dinge offen gelassen haben oder für uns schlichtweg unbegreiflich waren.
Es war für uns unmöglich zu verstehen, was aus welchem Grund passiert ist oder wieso Menschen sich auf eine bestimmte Weise verhalten haben.
Völlig vor den Kopf gestoßen und ratlos blieben wir zurück. Emotional im Regen stehend suchten wir nach dem erlösenden Sonnenstrahl, der etwas Licht ins Dunkel bringt. Die Machtlosigkeit zusammen mit dem Unverständnis und der Ungewissheit brachte uns schier um den Verstand. In solchen Situationen ist man so tief in der Misere drin, dass einem sämtliche Fähigkeiten das Ganze von außen zu betrachten fehlen. Das subjektive Empfinden überwiegt. Wochen, Monate, vielleicht sogar Jahre später aber kann der Groschen fallen. So wie bei mir und dem Lied. Dann tut sich ein Horizont auf, den man schon gar nicht mehr erwartet hatte.
Überhaupt steckt das Leben voller solcher unvorhersehbaren Wendungen und Fügungen.
Denn nicht nur wir selbst sind in der Lage den Blick auf Tatbestände zu verändern, sondern auch andere. Klingt logisch, aber manchmal vergessen wir, dass Dinge sich tatsächlich ändern können. Jede Sekunde kann unser ganzes Leben und das unserer Mitmenschen auf den Kopf stellen. Den Status quo gibt es nicht. Wir leben in einem Abhängigkeitsgefüge aus äußeren Umständen, unserer eigenen Persönlichkeit und der von anderen. Wir haben niemals irgendetwas zu 100 Prozent selbst in der Hand. Unser Schicksal liegt zwangsläufig auch in fremden Händen, ob wir wollen oder nicht. Die ganze Welt ist ein Netzwerk, keiner lebt in einer unberührten Blase.
Durch jede Handlung können wir Wellen schlagen, deren Reichweite wir nicht erahnen können.
Zwar macht uns das zu Spielbällen von jedem und allem, aber was für ein wunderbarer Gedanke es gleichzeitig doch ist, dass jeder von uns das Leben eines anderen verändern kann. Schon ein grundloses Lächeln auf der Straße oder eine andere nette Geste kann einem Fremden einen schöneren Tag bereiten. Und auch Menschen in unserem engeren Umfeld können wir durch Kleinigkeiten positiv beeinflussen. Es bereitet mir Freude zu sehen, wie sich ein anderer freut. Umgekehrt kann der Schuss aber auch nach hinten losgehen.
Etwas, das wir gut meinten, kommt ganz anders an. Es ist so ein Sender-Empfänger Problem, das zu Missverständnissen führt. Ich frage mich, ob wir jemals alles verstehen werden, was uns widerfahren ist. Ob jeder von uns für alle Fragezeichen schließlich eine Antwort bekommen wird, irgendwann im Laufe unseres Lebens. Oder, ob doch ein paar Unbekannte bleiben werden, Dinge, die nie ausgesprochen und Taten, die niemals folgen werden.