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Tauschen statt Kaufen – wie früher

Tauschen statt kaufen Studibuch Magazin

Kindergeburtstage. Das war großartig. Als man noch Gast war und nur das tun musste, was die Muttis und Vatis einem auftrugen. Denkt nur an die Didl-Blättchen oder Murmeln, die ständig den Besitzer wechselten. Tauschen statt Kaufen, schön war das. Ein anderes schönes Beispiel, was sich zumindest in meiner Gegend (ein Dorf mit mehr Kühen als Menschen) sehr durchgesetzt hat: Hochtauschen. Die Kinder wurden mit einer einsamen Banane losgeschickt und sollten bestenfalls mit einem Ferrari wiederkommen. In der Realität gab es eher eine Tüte Gummibärchen, die niemand mochte, einen Satz Knöpfe und mindestens zwei heulende Halbwüchsige. Trotzdem tausche ich heute immer noch gern. Mit dem Unterschied, dass ich nicht mehr mit Bananen von Haus zu Haus wandere und Leute belästige, sondern im Internet Fotos von meinen Tauschgütern hochlade, und hoffe, dass sich jemand darüber freut und etwas anderes für mich parat hat. Ab und an sind das tatsächlich Bananen.

 

Warum ist tauschen gut & kaufen schlecht?

Na gut, der erste Aspekt, der nicht zu verachten ist: Knete. Moneten. Geld. Zaster. Wer tauscht, spart. Auf ganzer Ebene. Wenn ich meinen gestrickten Wollpullover nicht mehr sehen kann, meine Nachbarin ihren Bücherschrank aussortiert und wir auf einen Nenner kommen, dann bleibt das Geld, wo es ist. Ich mit Buch = glücklich. Nachbarin mit Wollpullover = glücklich. Portemonnaies = voll.  Das Geld, was ich also in die Herstellung meines Pullovers gesteckt habe, fließt gleichermaßen in das Buch ein; so habe ich quasi zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Oder halt zwei Gegenstände zum Preis von einem erworben – fuchsig. Das sollte nur einmal zur Veranschaulichung dienen.

 

Beispiel: Wollpullover

Jetzt geht’s ans Eingemachte: Ressourcen. Bleiben wir doch einfach mal bei meinem Wollpullover und sind ein bisschen radikal. Angenommen ich (wäre so blöd und) schmeiße meinen Pullover schlicht und einfach in die Mülltonne, weil er mir nicht mehr gefällt. Ein richtig dicker, flauschiger Pullover aus Schafswolle. Ich steige also in mein Auto und eiere 20km pro Strecke bis zum nächstbesten Laden, um mir ein Schafswollknäul zu kaufen. Mit Regionalität haben die es hier nicht so, aber jetzt bin ich schon mal hier, also was soll’s? 10 Knäuel australische Wolle sollten für meinen Pullover reichen – ich will ja nicht noch einmal herkommen müssen.

Wo kommt die Wolle her?

Wolle fällt leider nicht vom Baum, also denken wir mal nach: die Wolle kommt von australischen Schafen – wahrscheinlich von einer Merino-Farm -, die speziell dazu gezüchtet werden, mich hier im kalten Deutschland mit scherfrischer Wolle zu beglücken (unter anderem). Wir sind also in Australien – Mücken sind ein Problem in der Schafszucht. Es kann also passieren, dass die Tiere hier und da mal ein paar Pestizide abbekommen, um der Einnistung von Larven vorzubeugen. Zeit ist Geld, das wissen wir alle. Mit Liebe und Zuneigung ist hier also auch nicht viel. Beim Scheren muss es schnell gehen, da sind tiefe Schnitte schonmal keine Seltenheit. Von dem Stress für die Tiere, jedes Mal aufs, neue ganz zu schweigen. Irgendwann hat so ein Schaf dann „ausgedient“ – kann man sich vorstellen wie eine Kuh, die keine Milch mehr gibt. Was dann passiert, ja, das wissen wir alle.

Wolle = öko?

Umwelttechnisch gesehen ist Wolle auch nicht das Gelbe vom Ei. Schafe scheiden, wie Kühe, Treibhausgase aus, was zur Erderwärmung beiträgt. Hinzu kommen materielle Ressourcen wie Futter, Wasser und Land. Dann die Klassiker: Abgrasung, Abtragung von Böden, Wüstenbildung, CO2-Ausstoß durch den Transport nach Deutschland… das Übliche, ihr wisst schon.

Vielleicht habe ich ein bisschen weit ausgeholt. Das ganze hier soll kein theatralischer Angriff auf die Wollindustrie sein. Was ich einzig und allein damit sagen will: hinter dem weichen Wollknäul steckt weitaus mehr als nur ein weiches Wollknäul. Hier sind wertvolle Ressourcen involviert, die zur Herstellung in Anspruch genommen werden.

Ich trage meinen Pullover also ein paar Jahre und entsorge ihn. Dann, still und heimlich, fängt die gute Nachbarin an, sich ebenfalls einen solchen Pullover zu stricken. Dann geht das ganze wieder von vorne los. Muss das sein? Wo doch genug Wollpullover allein in Deutschland bereits im Umlauf sind und nur auf neue Besitzer warten?

 

Tausch dich glücklich

Glücklicherweise leben wir in einer Welt, die sich dreht. In einer Welt voller Geschöpfe, die mitdenken, nicht immer den bequemsten Weg gehen und sich entwickeln – manchmal zumindest. Der bewusste Konsum hat es im Zuge einer anhaltenden Bewegung hin zu einer nachhaltigen Entwicklung, in einige schlaue Köpfe geschafft. Auf diese Art und Weise entstehen die tollsten Dinge wie zum Beispiel Tauschläden, -gruppen und -netzwerke. Da werden Dinge gegen andere Dinge getauscht, Dienstleistungen gegen Gegenstände oder sogar Wohnraum und Kleidung gegen ein bisschen Hilfe.

 

Tauschen – ein Teil der Kultur?

Denken wir doch mal zurück – die Leute haben schon immer getauscht. Zuerst kommt mir meine liebe Oma in den Sinn, die in ihren frühen Teenagerjahren flüchten musste. Mit Pferd, Wagen und nur zwei, drei Dingen, die mit durften. Da wurde dann noch in Windeseile Proviant eingepackt und man hat auf der Flucht vielleicht das Glück gehabt, dass dir jemand ein bisschen Käse für dein Brot gegeben hat. In der Zeit, bevor wir überhaupt eine Währung besaßen, da wurde nur getauscht. Das war die Kultur.  Und es war in Ordnung – es war ja alles vorhanden. Wir leben also in einer Zeit, in der man wieder anfangen sollte, wertzuschätzen. Ein Buch ist nicht nur ein Buch sondern Papier, Tinte, Zeit, Mühe, Transport… – ich denke, ihr habt verstanden, worauf ich hinauswill.

 

Tauschen statt Kaufen

Zeit für etwas Schönes: ein Positivbeispiel! Mein persönlicher favorite-place-to-be, was Tauschgeschäfte anbelangt, findet sich auf Facebook und nennt sich liebevoll der „Kieler Kreisel – Schenken Tauschen Leihen“. Der Name ist Programm. Schauen wir doch mal: die Regeln sind einfach; Gegenstände beschreiben, Tauschwünsche angeben, keine Verkäufe, keine Werbung, keine Arschlöcher. Klingt einfach – ist es auch. Seit dreieinhalb Jahren bin ich aktives Mitglied und tausche, was das Zeug hält. Ich guck einfach mal für euch, was grad so abgeht:

Eine Armee aus Haarpflegeprodukten sucht neues Herrchen gegen Bio-Lebensmittel – oh, ich lese gerade, wurde gegen Mehl getauscht. Vor zehn Minuten hochgeladen: ein Haufen Kleiderbügel, ein Ohropax-Set und ein Kinderbuch sollen gegen Schokolade umziehen – noch keine Interessenten. Oh, das nächste kann ich nicht zuordnen, sieht für mich aus wie eine Lern-Spielekonsole für Kinder, war bestimmt mal teuer… 3 Überraschungseier möchte die Dame dafür haben.

 

Kaufen um zu Tauschen?

Ich persönlich kaufe ungern etwas zum Tauschen – da geht der Sinn für mich irgendwie flöten. Zumindest, wenn es jetzt um sowas wie Überraschungseier geht. Wenn jemand sich über eine Karotte freut, dann kann ich damit gut leben. Dann kaufe ich auch gern eine Karotte. Hier haben wir noch einen Teppich gegen Reismilch, jemand anderes sucht eine Bettdecke, da hat jemand eine Menge Wodka und Bier abzugeben… hier wird echt jeder fündig.

Ich kann gar nicht sagen, was meine ertauschten Highlights sind, aber letzte Woche gab es für mich einen wunderschönen Nähkasten. Tauschen macht so Spaß – es hat auch wirklich viel mehr Reiz zu schauen, wie man an etwas kommt anstatt einfach in einen Laden zu stürmen, und sich direkt alles neu zu beschaffen.

Habt ihr Möglichkeiten zum Tauschen in eurer Nähe? Setzt doch einfach ein Statement und gründet einen „Stadt“-Kreisel für eure Gegend – oder startet mit einer Banane und klingelt mal beim Nachbarn. Wer weiß, vielleicht hat er noch einen Ferrari, den er nicht mehr braucht?

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Sina: Sina hat gerade ihr Ökotrophologie Studium beendet, lebt unweit der Ostsee und hat eine Schwäche für Hülsenfrüchte, schwarze Kleidung und kitschiges Oma-Geschirr. Auf ihrem Blog futterfight dreht sich alles um vegane Rezepte und Tipps zum Sparen.
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