Katharina erzählt vom Kampf gegen amerikanische Flusskrebse

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Ich wohne in einem kleinen Ort, durch den ein noch kleineres Flüsschen fließt. Bisher habe ich diesem schmalen Gewässer keine große Beachtung geschenkt, da er nur gelegentlich nach starken Regengüssen so dramatisch anschwillt, dass er sich in seiner vollen Stärke und Inbrunst zeigt und die direkten Anwohner mit Wasser in ihren Kellern bedroht. Ich laufe also nahezu tagtäglich an diesem idyllisch plätschernden Strömchen vorbei, ohne mir nähere Gedanken über ihn zu machen. So ging ich auch vor einigen Wochen wieder den üblichen Weg zum Bahnhof über eine schöne gebogene Holzbrücke, die es Fußgängern ermöglicht trockenen Fußes den Fluss zu überqueren. Dabei fiel mir ein Mann auf, der mit beiden Armen auf die Brüstung gestützt hinunter in das fließende Wasser blickte. Ich sah ihn nicht zum ersten Mal dort stehen. Immer fragte ich mich, was er wohl dort unten entdeckte, in dem für mich unbedeutenden Zufluss des Neckars. Irgendwie sah er verträumt aus, so wie er dastand, das Kinn ruhend auf den Armen. Vielleicht entspannte er sich von einem anstrengenden Arbeitstag oder wollte einfach noch einige Zeit alleine verbringen, bevor es zu seiner Familie nach Hause ging. Ich weiß nicht wieso, aber an diesem Tag stellte ich mich neben ihn, senkte meinen Kopf und schaute ebenfalls hinunter. Ich sah nichts, außer langsam fließendem Wasser und mit Algen bewachsene Steine. Der Mann neigte seinen Kopf und sah mich an.

„Was sehen Sie dort unten denn?“, fragte ich ihn. „Ich beobachte meine Döbel“, war die Antwort. Nun bin ich nicht im Fischreich bewandert, aber verstand dennoch, dass es sich zumindest um eine im Wasser lebende Tierart handeln musste, und lenkte meinen Blick wieder nach unten. Ich sah…wieder nichts. Auch nicht die Forellen und kleinen Äschen, die mir der nette Herr zielsicher mit einem Fingerzeig erkennbar machen wollte. Ich hatte nicht seinen Kennerblick. Er redete vom Zustand des Wassers und erzählte von verschiedensten Fischarten und Orten entlang des Flusses mit der größten Selbstverständlichkeit, als ob es zum Allgemeinwissen gehören würde, all dies zu wissen. Ich war auf vollkommen fremdem Terrain unterwegs, er in seinem Heimathafen. Das erkannte jedoch nur ich, nicht er. Er plauderte weiter von Fischarten, die andere vernichten, Krankheitserregern, die zur Bedrohung des Bestandes werden und amerikanischen Flusskrebsen, die ihre deutschen Artgenossen ausrotteten.

Beim letzten Punkt wurde ich hellhörig. „Es gibt hier nur noch amerikanische Flusskrebse. Die Deutschen sind weg“, sagte er noch mal klar. Ich, weltoffen und freundlich dachte natürlich direkt pragmatisch: „Naja, aber es ist ja schön, wenn es hier überhaupt noch Flusskrebse gibt, auch wenn es keine Deutschen mehr sind, oder?“ Das gefiel dem Fischer ganz und gar nicht. Man wolle die Amerikaner weghaben. „Also lieber gar keine Flusskrebse als nur Amerikanische?“, fragte ich ungläubig. „Ja, deshalb fangen wir so viele wie möglich“. Ich fand mich gerade mit dem Gedanken ab, dass also auch in deutschen Gewässern so etwas wie Fremdenfeindlichkeit herrschte, als ich noch eine Möglichkeit des Fortbestandes der Flusskrebse, egal welcher Nationalität, fand: „Was ist denn, wenn die Amerikaner weg sind? Können Sie dann die Deutschen wieder ansiedeln?“ Die Antwort von ihm legte die Naivität meiner Frage offen: „Die bekommt man nicht weg. Es sind zu viele“, sagte er und schüttelte verzweifelt den Kopf.

Der Mann, den ich so oft auf der Brücke stehen sah und von dem ich eine so romantische Vorstellung hatte, befand sich in einem niemals endenden Kampf gegen amerikanische Flusskrebse. Dennoch gab er nicht auf. Es ging darum, es nicht unversucht zu lassen, egal wie sinnlos es auch sein mag. Denn, die Fremden müssen weg, auch wenn sie niemals weg sein werden. Das Paradox bleibt bestehen – überall.

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Katharina: Katharina hat Anglistik studiert und schreibt für verschiedene Kanäle. Sie ist besonders an internationalen Themen und den großen Fragen des Lebens interessiert.
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