„Wir müssen im Interesse unserer Weltmeere, unserer Tiere, im Interesse unserer Landschaftsbilder die Menge an verbrauchtem Plastik verringern.“, so begründete Günter Oettinger seinen Vorschlag für eine Plastiksteuer, die er im Januar der EU-Kommission vorlegte.
Als Kommissar für Haushalt und Personal will er mit den Einnahmen aus einer solchen Steuer aber auch die Lücken, die im Etatplan durch den Brexit entstanden sind, stopfen. Hier reichen sich Ökologie und Ökonomie also wieder einmal die Hände. Ist die Steuer aber tatsächlich eine Lösung für ein Umweltproblem oder doch nur die Schaffung einer zusätzlichen Einnahmequelle?
Die Idee: eine Steuer für weniger Plastik?
Die Plastiksteuer ist im Prinzip von ähnlichen Gedanken begleitet, wie das seit circa zwei Jahren bemerkbare Verschwinden von Plastiktüten im Einzelhandel: Es tut sich etwas. Die Industrie und die Politik bemerken, dass Verbraucher das Problem Plastik anders wahrnehmen als noch vor ein paar Jahren oder Jahrzehnten. Plastik vermeiden zu wollen, ist kein Nischeninteresse von Alt-Hippies mehr, sondern kommt in der breiteren Bevölkerung an. Keine Plastiktüte mehr für seinen Einkauf zu verwenden, sondern Papier- oder Jutetaschen, gehört fast schon zum guten Ton.
Gerade bei der Verwendung von Papiertüten wird das eine Problem aber nur mit einem anderen aufgewogen. Immerhin ist die Produktion von Tüten aus Papier energetisch aufwendiger als von solchen aus Plastik. Auch wenn die Zersetzungsdauer von Papier natürlich um einiges geringer ist. Der Umwelt ist damit aber trotzdem nicht mehr geholfen, wenn Papiertüten nach wenigen Verwendungen direkt in den Müll wandern. Und auch trotz einer scheinbaren Tendenz zu mehr Bewusstsein im Umgang mit Plastik sinkt besonders der Anteil der Mehrwegverpackungen.
Und so muss man auch die Plastiksteuer kritisch in Hinsicht auf ihren Nutzen für die Umwelt betrachten. Wird die Industrie hierdurch tatsächlich motiviert weniger Plastik zu produzieren? Oder landen die zusätzlichen Kosten am Ende nur bei den VerbraucherInnen, die durch den Mangel an Alternativen schlichtweg weiter in Plastik verpackte Produkte kaufen? Vermutlich würde auch trotz einer Steuer die Produktion von Plastik immer noch günstiger bleiben als von anderen Materialien.
Dieser Frage kann sich erst genauer genähert werden, wenn die Idee der Steuer konkreter ausformuliert wird. Das kann aber erst mit der Vorlage des Entwurfs durch die Kommission in Europa im Mai passieren. Bis dahin ist noch unklar, wie hoch die Steuer ausfallen wird, wer sie übernehmen muss und an welchen Maßstäben sie überhaupt festgemacht wird. Nach Gewicht oder pro Verpackungseinheit?
Die Motivation: China will unseren Müll nicht mehr
Neben der bereits genannten Flickenfunktion für die Etatlöcher durch den Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union, gilt auch der seit Januar von China verhängte Importstopp von Plastikmüll als Begründung für die angedachte Steuer. Und so geht es wohl möglich doch um die Vermeidung von Müll?! Immerhin wurden bis dato 87 Prozent des Plastikmülls aus der EU nach China exportiert. Wenn wir also weiter so machen, ersticken wir irgendwann in unserem eigenen Müll.
Immer noch unter der Berücksichtigung der Ausformulierung zur Plastiksteuer könnte damit auch das Recycling des Plastiks attraktiver werden. Immerhin hat das Material Plastik auch seine Vorzüge.
Aber abgesehen davon, dass der Plastikstopp von China ungefähr zum selben Zeitpunkt beschlossen wurde wie der Vorschlag Oettingers, bleibt die Frage: Entsteht seine Motivation für eine Plastiksteuer tatsächlich aus einer Liebe zur Natur oder am Ende doch eher aus der Liebe zum Geld?
Dass die Motivation Oettingers nicht eine vorwiegend umweltbezogene sein muss, kann man am Besten aus seinen Amtshandlungen als EU-Kommissar für Energie ableiten. Obwohl er sich am Anfang seiner Amtszeit noch für Subventionen im Bereich der Solarenergie und den Neuanstoß von Diskussionen für einen Atomausstieg aussprach, unterstützte er später im „Energieplan 2050“ den Neubau von 40 Atomkraftwerken. Außerdem schönte er Energieberichte zugunsten der Kernkraft- und Kohleindustrie. Des Weiteren soll Oettinger den Einsatz von Fracking-Methoden zur Gewinnung von Erdöl und die Abschaffung des Gesetzes zur Förderung erneuerbarer Energien (EEG) unterstützen.
Mit seinen Forderungen zur Plastikvermeidung greift Oettinger daher vielleicht einfach nur einen Trend zur Müllreduzierung auf. Deshalb wäre es denkbar, dass er diese Entwicklung in der Bevölkerung lediglich zur Umsetzung einer neuen Steuer nutzt, die die Kassen des EU-Haushalts füllen soll.
Die Alternative: eine Plastikabgabe
Viele Politiker (zum Beispiel von der Grünen) befürworten die Plastiksteuer aber ebenfalls aufgrund ihrer möglichen positiven ökologischen Auswirkungen.
Auch die Deutsche Umwelthilfe findet eine Plastiksteuer erstrebenswert und machte schon vorher ähnliche Vorschläge. Bei einer Plastikabgabe von 20 Cent pro Einweg-Plastikflasche müssten diese aber dann sachgebunden verwendet werden. Also beispielsweise für die Entwicklung von Recyclingprozessen, nachwachsenden Materialen oder den Ausbau des Mehrwegsektors. Eine solche Abgabe würde aus einer klaren umweltbezogenen Motivation entstehen. Eine Reduzierung des Einweg-Plastik-Konsums wäre eher wahrscheinlich als bei einer Steuer, die für andere Zwecke eingesetzt wird.
Ob die vorgeschlagene Plastiksteuer also nun wirklich die Produktion und den Konsum von Plastik(-verpackungen) reduzieren kann, ist fragwürdig. Ziel scheinen eher extra Einnahmen für den EU-Haushalt zu sein, als die ehrenvolle Rettung der Weltmeere, die Oettinger vorschiebt.
Plastiksteuer ja oder nein?
Was haltet Ihr von der Plastiksteuer? Glaubt Ihr, es ist eine sinnvolle Idee? Oder ist sie wirklich nur gedacht, um mehr Geld für die EU-Kassen zu erhalten? Was kann man Eurer Meinung nach gegen den hohen Plastikkonsum in Deutschland tun? Kann die Politik eine langfristige Lösung für das Problem finden oder muss es anders angegangen werden? Wir freuen uns über Eure Kommentare!